Ich möchte Fachartikel finden, wie es coole Cowboys tun, nur eben im Internet: Ein Klick – ein Treffer! Vor längerer Zeit habe ich hier schon mal über die vergeblichen Versuche geschrieben, Literaturwünsche meiner Kunden einfach in eine Suchmaschine zu kopieren und direkt zum gesuchten Artikel geführt zu werden. Google, PubMed und Co. waren damals nur zum Teil erfolgreich, doch inzwischen ist ja alles besser, wir haben Artificial Intelligence und Machine Learning und selbstfahrende Kutschen im Wilden Westen, da sollten doch so ein paar Metadaten kein Problem sein … Oder doch?
Neulich brachte der Postzug ein Mail in meine Krankenhausbibliothek in Dodge City:
„Sehr geehrter Herr …, Dr. XY bräuchte aus dem „Journal of clinical monitors and computers 2014 den Artikel betreffend neurophysiologischem Monitoring von Skinner. Können Sie mir da weiterhelfen?“
Der Tag war drückend heiß, ich hatte keine Lust, die Füße vom Schreibtisch zu nehmen und mich selbst auf die Suche zu machen. Eine gute Aufgabe für die Google-Bande, dachte ich mir, die brauchen eh Futter, um ihre Algorithmen zu trainieren. Also: Nicht nachdenken, sondern Copy&Paste in den Suchschlitz geschossen: „Journal of clinical monitors and computers 2014 den Artikel betreffend neurophysiologischem Monitoring von Skinner“
Google findet viel Schönes, mit dem man den Nachmittag verbringen könnte. Skinner kennt man ja, ich dachte, der Gringo wäre schon tot? Naja, vielleicht doch ein anderer Skinner, aber jedenfalls kein Treffer in Richtung des gemeinten Fachartikels am Horizont.
Google Scholar ist sonst so ein geschwätziger Geselle, heute schweigt er. Ich habe ein schlechtes Gewissen: Meine Suchanfrage ist halb englisch, halb deutsch und ein paar unnötige Begriffe sind auch dabei – nicht, dass da bei den Greenhörnern im Silicon Valley die Sicherungen durchbrennen.
Auch PubMed, der Western-Held vom letzten Mal, lässt mich im Stich. Wenn man sich die „Search Details“ ansieht, wundert mich aber nichts mehr. Von den ganzen AND- und OR-Verknüpfungen muss man ja irgendwann verrückt werden.
„periodicals as topic“[MeSH Terms] OR („periodicals“[All Fields] AND „topic“[All Fields]) OR „periodicals as topic“[All Fields] OR „journal“[All Fields]) AND clinical[All Fields] AND monitors[All Fields] AND („computers“[MeSH Terms] OR „computers“[All Fields]) AND 2014[All Fields] AND den[All Fields] AND Artikel[All Fields] AND betreffend[All Fields] AND Monitoring[All Fields] AND von[All Fields] AND Skinner[All Fields]
Livivo hat auch nichts zur Lösung des Problems beizutragen und meint patzig und in rot, es läge wohl an mir („Please check the data you entered“) … außerdem lässt sich die Suche leider nicht verlinken, ein Glück für die Suchmaschine, dass ich hier nicht der Sheriff bin!
CrossRef war beleidigt, hatte ich ihn doch bei meinem letzten bibliothekarischen Shoot-Out vor ein paar Jahren vergessen. Diesmal wollte ich ihm eine Chance geben … aber scheinbar ist er immer noch bockig: Der Begriff „Artikel“ hat das System so in den Bann gezogen, dass erst mal seitenweise Gesetze und so Zeug kamen. Leider die falsche Spur.
Eine riesige Schießerei also und keiner hat getroffen, fast wie bei Lucky Luke im Kinderfernsehen. Vielleicht waren ja die nicht unmittelbar metadatenbezogenen Worte „den Artikel betreffend neurophysiologischem Monitoring von“ zuviel für die überzüchteten künstlichen Intelligenzen? Ich versuche es in einem zweiten Schritt mit einem etwas entgegenkommenderen Ansatz, mein neuer Suchterm lautet: „Journal of clinical monitors and computers 2014 Skinner“
Als sich der Pulverdampf verzogen hat, trennt sich die Spreu vom Weizen, die meisten bleiben bei „0 Treffer“, Crossref kapriziert sich nicht mehr auf das nun verschwundene Wort „Artikel“ sondern faselt was von „greenhouse gas emissions for computers and monitors„, Google Scholar findet nun viel, aber zumindest auf den ersten beiden Ergebnisseiten nicht das Gesuchte, da hätte ich mir wirklich mehr erwartet. Besser ist Google ohne Scholar, der immerhin erkennt, dass die Zeitschrift vielleicht „Journal of Clinical Monitoring and Computing“ heißt, also mit „ing“ statt „rs“ hinten, und von Springer ist. Ja, ein Schreibfehler! Ein entscheidender Hinweis, doch das Lösegeld gibt es nur bei Erfolg, dead or alive!
Tatsächlich erfolgreich ist diesmal Livivo, wo der richtige Artikel nun auf Platz 2 erscheint. Die roten Markierungen lassen vermuten, dass hier nun die geheimen Routinen im Hintergrund „Monitors“ erfolgreich in „Monitoring“ übersetzt haben und dann aufgrund der Worthäufigkeit (und natürlich auch wegen „Skinner“) diesen Treffer auf Platz 2 gereiht haben. Ob das schon intelligent ist, will ich nicht beurteilen („This intelligent search technology helps users quickly find the information they need, producing highly accurate results“), schließlich ist auf Platz 1 ja ein Artikel gelandet, der mit dem gesuchten überhaupt nichts zu tun hatte.
Mit dem korrigierten Zeitschriftentitel „Journal of clinical monitoring and computing 2014 Skinner“ (3. Runde) sollte es nun ja einfach sein, oder? Ist es auch, nur Crossref reiht das richtige Ergebnis erst an Stelle 7.
Ganz nebenbei: Die Suche auf der Springer-Seite, wo der Artikel erschienen und als Open Access erhältlich ist, kann ihn auch mit dieser idiotensicheren Anfrage nicht finden, stattdessen 8 Seiten falsche Treffer. Sad!
Ja und dann kam doch da auch noch der Oberangeber-Cowboy des Weges: OVID … ich gebe zu, ich mag ihn nicht mit seinem vernarbten Suchinterface, aber ich gab ihm sogar mehr als eine Chance: In der Experten- und der Freitextsuche. Und ich gab ihm viel Zeit zum Nachdenken bei jedem Schuss … das Ergebnis ist schnell erklärt: kein Treffer. Jedenfalls unter keiner Bedingung der richtige Artikel auf der ersten Ergebnisseite dabei, also auch nicht wenn der Suchterm aus korrektem Zeitschriftennamen, korrekter Jahreszahl und korrektem Autorennamen besteht und diese Kombination eindeutig ist!
Wie schon im Beitrag von vor 3 Jahren zu diesem Thema finde ich das Ergebnis eigentlich ziemlich enttäuschend, da kann man nur hoffen, dass wenigstens die selbstfahrenden Kutschen nicht gleich den nächsten Südstaatler überrollen. Die Suchroutinen sind offensichtlich selbst von einfachen Abweichungen zu irritieren und zeigen keinerlei Anzeichen von „Verständnis“ für Inhalt bzw. Struktur der eingebenen Suchbegriffe. Eher so, wie wenn man mit der Schrotflinte in die Datenbank schießt und hofft, dass ein Fachartikel tot umfällt.
Ohne Livivo den halben Treffer in der 2. Runde missgönnen zu wollen, war es doch Zufall, dass „Monitoring“ als „Monitors“ falsch geschrieben wurde, hätte man etwa „Monitiring“ stattdessen geschrieben, hätte es bei ansonsten vollständig korrekten Angaben – also nur ein Zeichen falsch! – keinen Treffer bei Livivo gegeben; in diesem Falle hätte dann Google die Nase vorn gehabt: „Journal of clinical monitiring and computing 2014 Skinner“ (4. Runde)
Auch mit korrekt geschriebenem Zeitschriftennamen hätte in der ursprünglichen Formulierung keiner der Anbieter das Gesuchte gefunden: „Journal of clinical monitoring and computing 2014 den Artikel betreffend neurophysiologischem Monitoring von Skinner„. Nach der letzten Runde steht es gefühlt 5 : 0,5 gegen die Algorithmen und für die menschliche Intelligenz – unsere soziologiestudierende Praktikantin hat für diese Knobelaufgabe ca. 5 Minuten benötigt und gleich das richtige Ergebnis präsentiert und nicht 287 Treffer. Es heißt ja immer, viele Qualifikationen würden durch die Digialisierung überflüssig – das zu finden, was gesucht wird, scheint mir davon aber nicht akut gefährdet. Also: Keep Calm and Search On!
Haben Sie ähnliche Erfahrungen? Oder andere? Oder sogar die Super-Suchmaschine mit Zielfernrohr und One-Shot-Treffergarantie? Ich freue mich auf Kommentare!
P.S. für ganz Neugierige: Hier ist er, der gesuchte Artikel … https://link.springer.com/article/10.1007/s10877-013-9496-8
5 comments for “Schon wieder einen (nicht) erwischt – Was gibt’s Neues bei der Literatursuche im Wilden Westen?”