In dem Artikel Es ist Wissensmarkt – und keiner geht hin beleuchtet der jedem AGMB-Mitglied bekannte Cochrane-Papst Dr. Gerd Antes in der FAZ Wunsch und Wirklichkeit der Wissengewinnung. Er beklagt den know-do-gap – die „oft sehr großen Lücken oder Barrieren zwischen vorhandenem, überprüfbarem Wissen und tatsächlichem Tun von Ärzten und Patienten“. Er weist aber darauf hin, dass Deutschland auf dem Gebiet der Knowlegde Translation leider keine Rolle spielt. Kanada, Australien, Großbritannien, Neuseeland, die Niederlande und die skandinavischen Länder haben dagegen „dieses Anliegen bereits auf ihre Agenda genommen, und zwar sowohl auf der Seite der Wissensgenerierung wie auch der systematischen Wissensnutzung.“
Wenn man entsprechenden Studien glauben darf, können oder wollen 80 Prozent der deutschen Ärzteschaft in der beruflichen Routine nichts in englischer Sprache lesen… [Die] anderen 20 Prozent […] werden von ihren Organisationen und Verbänden weitgehend im Stich gelassen. Bei den deutschen politischen Instanzen und Organisationen ist eine erstaunliche Ignoranz und weitverbreitetes Desinteresse gegenüber diesen Entwicklungen festzustellen, die dazu führen, dass selbst etliche Universitätskliniken sowie der größte Teil der Ärzteschaft keinen Zugang zu den relevanten Wissensquellen hat.*
Mit „relevanten Wissensquellen“ meint Antes wohl vor allem die – nicht nur von ihm – als Krone der evidenz-basierten Medizin angesehene Cochrane Library, die tatsächlich nicht von allen Universitätsklinika Deutschland lizenziert wird. Aber hier beißt sich die Katze in den Schwanz: Deren Kosten mögen zwar mit „ein bis zwei Euro pro Arzt beziehungsweise ein Cent pro Einwohner“ ja wohl mehr als lächerlich sein, stellen aber de facto mit ihrem Abonnementspreis von bis zu mehreren tausend Euro eine deutliche Hemmschwelle für klamme Kliniketats dar (Bibliothekare haben auch nicht vergessen, dass der von der Cochrane Collaboration forcierte Wechsel zum Wiley-Konzern mit einer Verdreifachung des Preises verbunden war). Demgegenüber ist die Nutzung mit wenigen hundert Zugriffen pro Jahr äußerst bescheiden – bzw. um in der Antes’schen Terminologie zu bleiben – beschämend. So sehr man als Bibliothek vor Ort auch diese EBM-Datenbank als unverzichtbar Quelle abonniert und bewirbt.
Wer allerdings Ressourcen nach Vollständigkeit, Kosten/Benutzungsfaktor und Integration mit Kliniksystemen und elektronischen Bibliotheken bewertet, sollte neben der Cochrane Library an die konkurrierenden „Großkonzern“-Systeme UpToDate (WoltersKluwer) oder FirstConsult (Elsevier) denken – auch diese weisen Kosten/Benutzungsraten von +- 2 Euro / Zugriff auf.
* Fast gleichzeitig wird dieser Umstand auch im deutschen Sport angeprangert: SPIEGEL ONLINE: Die Wissenschaft erreicht den Sport nicht? Mester: An vielen Stellen nicht. Zum einen gibt es eine Sprachbarriere. Fast alle Veröffentlichungen sind auf Englisch. Zum anderen eine Wissenschaftsbarriere. Die Texte erscheinen in sehr speziellen wissenschaftlichen Magazinen, die in Deutschland in der Praxis kaum gelesen werden.
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