Peter Suber weist uns auf einen Essay von Thomas Krichel zu „Open Libraries“ hin: From Open Source to Open Libraries, ASIS&T Bulletin, December 2008 / January 2009.
…This contribution…outlines a number of direct correlations between the functions of libraries and the characteristics of OSS [open source software], and by extension, how the principles of OSS can be applied to the distribution of “open libraries” as a future direction for librarianship….I want to look at what can be learned from the OSS software to understand the changing nature of libraries….
Libraries traditionally have been working with non-free information. They have argued that resources should be pooled to purchase access to such information for community members. Their promotion of free information has been hypocritical. They have advocated free access to information as long as it requires paying libraries to provide it. The most important trend libraries are facing is the increase of free access information resources. Nowhere is this more obvious than on the web. More and more serious information is being made available for free on websites….
Generally, we see societies moving from an economy of information to an economy of attention. In the economy of information, information is rare and attention is plentiful. In the economy of attention, it is the opposite….So far the library sector is stuck in the economy-of-information track. It will wither if it does not get out of there.
Libraries have the opportunity to participate in the creation of open libraries that provide structured information on behalf of community members for free reuse by others, which can be a value-added business model for them. Building open libraries requires technical skill current librarians generally don’t have. It requires a business sense they have problems perceiving. And it requires a change in purpose that they are slow to accept. Therefore, I am not optimistic about the future of the formal library sector. But, of course, open libraries that are modeled after the open source movement are here to stay. [Fettdruck durch mich]
Ok… Also da ist zunächst der Paradigmenwechsel: Heutzutage gibt es Information wie Sand am Meer und Aufmerksamkeit gibt’s wenig. Das klingt logisch. Früher war es wohl andersrum, aber das muss ganz viel früher, vor meiner Zeit gewesen sein… Seitdem ich denken kann (ok, seitdem ich Informationen suche 😉 d.h. seit Anfang der Achtziger ), sind die Informationen immer auf mich eingeflutet. Ist dies heute schlimmer? Für mich persönlich ist es besser geworden, da ich mich nun nicht mehr (als hilfsloser Biologe) in den 500 Bänden der Biological Abstracts verliere, sondern irgendwie leidlich informationskompetent geworden bin… Andere mögen sich überwältigter fühlen. Aber gehen wir mal der Einfachheit davon aus, dass Krichel Recht hat. Hat er auch Recht damit, dass Bibliotheken bigott in punkto Open Access sind? Die Antwort ist hier in der Tat ein bisschen zwiespältig: Nein: Wir unterstützen OA tatkräftig, da es uns hauptsächlich auf „Access“ ankommt und OA ein wichtiger Teil davon ist. Nein: Wir müssen nicht alles kaufen, um es uns einzuverleiben und anbieten zu können. Ja: Es besteht allerdings gerade deswegen eine gewisse Abneigung oder Resentiment gegen OA. Es kann nicht „gekauft“ werden und passt deshalb erstmal nicht so recht in die bestehenden Strukturen. Und Ja: Es könnte uns sogar eines Tages überflüssig machen.
Geht die Entwicklung in Richtung „Offene Bibliotheken“, wie Krichel es sieht (und fordert)? Es wäre natürlich schön, wenn alles (frei oder kostenpflichtig) unter einem Dach namens „Open Library“ zur Verfügung stehen würde. Tatsache ist jedoch, dass es dieses Dach längst gibt, es heißt nur anders: Google. Machen wir uns doch nichts vor: Unsere Benutzer suchen längst in Google und nicht mehr im Opac. Und wenn sie zu uns kommen, dann durch eine Google-Suche – die Referrer zeigen es. Google bringt die freien und kostenpflichtigen Ressourcen zusammen, und ich glaube nicht, dass wir es besser können als Google. Das Einzige, was uns noch als Alleinstellungsmerkmal geblieben ist (bis auf die Beherbergung der Studis), ist das Angebot kostenpflichtiger Ressourcen. Aber auch das bröckelt. 2/3 aller Zeitschriften haben offene Archive, die DFG archiviert/abonniert, was das Zeug hält, und Google scannt nun auch Journals – der Anfang vom Ende?
Krichel traut uns nicht zu, wirklich „Offene Bibliotheken“ zu werden: Wir sind nicht technophil genug, reden von Benutzern statt Kunden und haben zu langfristige Ziele. Hmmm. Ad 1: Wie oben schon gesagt können wir auf dem Gebiet der technischen Lösungen nicht mit Google und Co. konkurrieren. Sorry, aber alles was ich derzeit an bibliothekarischen Metasuchirgendwasdingern sehe, ist allenfalls zweite Wahl. Aber ist es überhaupt nötig? Kann man solche Metaportale nicht auch ganz gut bei den Bibliotheksanbietern, sei es Ovid oder Ebsco, einkaufen? Ad 2: Unser größter Pfund, mit dem wir wuchern können, ist die (geographische und kulturelle) Nähe zu unseren Kunden. Aus Marketingsicht ist die enge Kundenbindung ein unschätzbarer Vorteil und Garant unserer Zukunftsfähigkeit. Und „Sinn für Kundenbindung“ ist Business Sense par excellence. Hier können wir sicher noch besser werden, aber die Voraussetzungen sind ideal: Bibliotheken arbeiten vor Ort, sind nahe am Benutzer und verfügen mit den Fachreferenten über kompetente und schlagkräftige Experten – perfekt geeignet für die Vernetzung mit dem Fachbereich. Ad 3: Sind wir wirklich so sturr, was die Änderung unserer Ziele angeht? Da bin ich natürlich betriebsblind, obwohl ich gerne auch hier den Stab für die Bibliotheken in den Ring werfe. Ich würde auch ungerne einer „Änderung unserer Ziele“ das Wort reden, da ich – wie T.Scott – eigentlich der Meinung bin, dass unsere Ziele immer ganz gut waren und auch heute noch gut genug: Angebot des bestangepassten, wirtschaftlich vertretbaren Spektrums an Zeitschriften, Büchern und Sonstigen. Ob Kauf oder Lizenzierung, ob Abo oder einzelner Artikel, ob kostenpflichtig oder frei: Bibliotheken zeichnen sich dadurch aus, dass sie es besorgen können (und manchmal sogar findbar machen).
Kommen wir zum Schluß:< Krichel widerspricht sich ein bisschen: Gerade da die Aufmerksamkeitsspanne bei ausreichenden Informationen sinkt, sollte es ja eben kein Access-Problem sein, sondern eines der Informationskompetenz. Bibliotheken sind ja faktischer Teil der Openness-Bewegung, auch wenn wir – gottseidank – noch genug Euros haben, um den (auf mittlere Sicht noch essenziellen) kostenpflichtigen Teil der wissenschaftlichen Kommunikation für unsere Benutzer kaufen zu können. Es macht ökonomisch auch wenig Sinn, wenn jetzt jede Bibliothek losläuft und eine OA-Zeitschrift gründet. Das hilft nicht und macht uns nicht mehr zum Teil von Openness. Wir sollten aber über OA Bescheid wissen, Alternativen anbieten und Lobbying machen. Das könnte mehr bringen als leere Repositories.
Nachtrag: Siehe dazu auch den LJ-Artikel über Google’s Buchscanningprojekt: Google deal or rip-off? und die Diskussion in liblicense-l, insbesondere Sandy Thatcher’s Antwort (Penn State University Press):
Libraries have the option of undertaking all the digitizing of books themselves, with the concomitant costs and legal risks, but everyone realizes that this would be a monumental task taking many, many years, probably decades. Google is offering a quick solution on a scale not even a consortium of libraries can undertake in today’s constrained economic climate…