Von der Konferenz Science Blogging 2008 habe ich ja schon berichtet. Heute war Anreisetag:
Nach langer Zeit geht es mal wieder ins schöne England! Von 1986 bis 2002 war ich fast jedes Jahr in London und habe es sehr genossen, fühlte mich schon fast wie zu Hause. Damals ging es meist mit der Fähre über Dover und dann per Zug nordwärts durchs liebliche Kent. Heute komme ich per Flugzeug und muß trotzdem eine 3/4 Stunde mit dem Zug in die Stadt fahren. Statt in den Norden fahre ich jetzt in den Süden. Aber auch hier sind die Weiden rechts und links der Strecke voll mit Schafherden! Der Stanstead Express is operated by National Express East Anglia (NEEA) und sieht gar nicht wie ein Expressreisezug mit Spitzenservice aus, eher wie ein abgehalfteter Ruhrgebietsvorortzug. Macht wohl die Privatisierung, werden wir in Deutschland vielleicht auch bald sehen… Ob die Denunzierungscampagne der NEEA auch bald von der Deutschen Bahn übernommen wird?
If you believe a fellow customer is deliberately avoiding payment of their fare you can text the details to 60006. Please start your message with the word „dodger“. All information will be treated in the strictest confidence.
Ich bin schon sehr gespannt auf diese Konferenz von Bloggern, die genretypisch offen und fast ausschließlich online geplant wurde – natürlich im Nature Network, natürlich kooperativ. Jeder, der wollte und Zeit hatte, konnte Themen für das Scientific und Social Programme vorschlagen oder kommentieren. Der Ton ist angenehm und neutral, keiner regt sich auf oder flamt gar jemanden. Die Science Blogger wissen das zu schätzen, und diskutieren immer mal wieder, wieso das nur bei ihnen so ist und wieso die übrige Blogger- und Forenwelt manchmal so unbeherrscht ist.
Die Häuser an der Zugstrecke erinnern mich an manche Gegenden im Osten, kurz (oder auch länger) nach der Wende: Heruntergekommene Häuser, deren blanker Putz im Laufe der Jahre ganz grau und dreckig geworden ist, häßliche Platten-Hochhäuser, kleine, ummauerte Reihenhausgärten – leider uneinsehbar. Vermute undurchdringliche Ruderalvegetation oder liebevoll gepflegtes Idyll. Rechts und links Industriebrachen als „Park Depot“ verbrämt. Kurz darauf – in Tottenham Hale, fast im Stadtzentrum, die erste überirdisch große Reklametafel für das neue iPhone 3G – wir kommen so langsam in die Zivilisation. In der Ferne sind die ersten Hochhäuser der Canary Wharf zu sehen, ein Ex-Hafenviertel, das zu einer exklusiven Bürostadt umgebaut wurde, und natürlich der Büroturm „Londoner Gurke“.
Was mich am meisten reizt bei der Konferenz ist weniger die Breakout Session zu „Science blogs and online forums as teaching tools“, auf der ich den Blickwinkel einer wissenschaftlichen Bibliothek darstellen und vertreten soll. Nein, was mich interessiert, sind die anwesenden Konferenzteilnehmer selber, mein (Studien)Objekt der Begierde ist diese rare Spezies der bloggenden Wissenschaftler. Was treibt sie um? Warum schreiben sie Weblogs? Was erhoffen sie sich davon? Was erhoffen sie sich – wenn überhaupt – von Bibliothekaren (wie mir)? Sind Bibliotheken überhaupt auf ihrem Schirm? Was können wir machen, um sie besser zu erreichen? Ist die user-library Beziehung ist gebrochen? An wem liegt das? Bestimmt nicht am Nutzer – denn der hat immer Recht. Not the user is broken, the library.
Ach, wie liebe ich die Londener U-Bahn, London Underground oder einfach „Tube“. Dieses so vielfältig und effizient miteinander verbundene Liniengewirr mit seinen klangvollen Namen: Bakerloo line, Picadilly line, Victoria line, Jubilee line, Metropolitan line. Es gibt immer mindestens fünf verschiedene Wege zum Ziel. In den Wagen ist Sauna-Temperatur, alles eng auf eng, die Menschen vielfältig, schrill, interessant, es wird auch mal gesteppt, Inder, Kaukasier und Afrikaner sitzen nebeneinander und unterhalten sich, als ob es das Normalste der Welt ist. Ich muß gestehen: Ganz so exotisch geht es in Münster meistens nicht zu.
Später gerate ich noch – mehr oder weniger aus Versehen – in ein geschlossenes Dinner nur für Nature Network Blogger. Die illustre Gemeinde gibt sich aber gar nicht so geschlossen und ich werde ebenso herzlich wie kurzerhand mit eingeladen. Die ersten Bekanntschaften werden geschlossen oder vertieft. Viktor (Blog Stripped Science) verteilt seine pre-published Comics, extra für die Konferenz gezeichnet; Martin (Gobbledygook) erzählt von der letzten Genetics in Berlin, Matt (London Hub: Editor’s Blog) spricht über Nature Network 2.0 und gibt ein paar Beatles-Lieder zum Besten, Anna Kushnir, medinfo-Lesern bereits bestens bekannt, ist rührige Mitorganisatorin der Tagung (Lab Life) und Bob, der Bio-Statistiker mir gegenüber aus Helsinki, ist Engländer und bloggt ganz ungeniert (Deep Thoughts and Silliness) zwischen Vor- und Hauptspeise in seinen Asus EEE-PC (das Restaurant hat natürlich WLAN), Corie (Boston Hub: Editor’s Blog) ist ein bißchen nervös, ob Morgen auch alles klappt und Maxine (From the Blogosphere) findet auch, dass es Blogs wie medinfo geben sollte. Am Tisch sitzen noch Duncan (O’Really?), Attila (Pimm) und PR-Mann des Jahres Scott Keir (Mixed miscellanies).
Die ersten Fotos kommen herein.