Rafael Ball’s Artikel im aktuellen BIT-Online-Heft 9(2006), H. 2, S. 125-129 Green Road – Golden Road: Open Access – The Road to Hell? wurde bereits von Jörg Pleininger Jürgen Plieninger in netbib mit deutlichen Worten kritisiert.
Hier in Ergänzung noch einige Worte zu den (wohl bewußt) provozierenden Thesen Ball’s (auf einen schneidigen Brief Harnads):
Die Wissenschaftler haben lediglich Optimierungswünsche an den Publikationsprozess, etwa im Hinblick auf die Geschwindigkeit des Peer Reviews, die Ausstattung der Artikel. Aber sie haben keine Probleme mit der prinzipiellen Struktur des wissenschaftlichen Publizierens.
Auf der europäischen Verleger-Tagung war genau das Gegenteil zu hören: Die etablierten Verlage tönten unisono, dass Sie ob des Schielens auf Shareholder Values den Kontakt zum Wissenschaftler verloren hätten und nun massiv durch die Open Access-Verleger bedroht würden. Matthew Cockerill wies darauf hin, dass Open Access eine disruptive Technologie ist – disruptive Technologien dienen zur Erneuerung und Verbesserung des Systems.
Das Thema „Open Access“ ist nicht für Bibliotheken und Bibliothekare ein so wichtiges Thema, […] weil den Bibliothekarinnen und Bibliothekaren die anderen Themen auszugehen drohen, sondern wird von Wissenschaftlern selbst intensiv diskutiert. Die DFG – sicher unverdächtig der Open Access-Hörigkeit – fördert den Aufbau einer virtuellen Forschungsumgebung , die nur mit wiederverwendbarer / änderbarer Literatur funktioniert.
Rafaell Ball hat vielleicht auch nicht begriffen, dass Open Access nur Teil einer größeren Bewegung ist, die Jürgen Renn, Max Planck Institut für die Geschichte der Wissenschaft, als „Openness-Bewegung“ bezeichnet. Renn beklagt zu Recht das ungenutzte Potential der neuen Medien durch die überall aufgerichteten Copyright-Zäune und sieht die Lösung in Open Access als „paradigm shift of science“. Vorteile von frei zugänglichen Forschungsergebnissen sind vielfältig, z.B. a) Text Mining, b) Rohdaten und c) Reproducibility. Die durch die neuen Medien möglich gewordene „global connectivity of knowledge“ (Stichwort: the self-organizing web) beschleunigt die Wissenszunahme. Der Prozeß ist nicht technology-driven, sondern user-needs-driven.
In Open Access als „reizvolle“ Alternative zum etablierten Publikationsprozess wird die Tatsache verkannt, dass es mit BioMed Central und PLoS bereits etablierte Open Access-Verleger gibt. Man muß nur über den bibliothekarischen Tellerrand hinausschauen, um die Dynamik dieser Entwicklung zu erkennen. Außerdem existieren finanzstarke Wissenschaftsorganisationen, die – bei entsprechender politischer Unterstützung – mit einem Handstreich alle Publikationen ihrer Antragssteller (bei der NIH 60.000 im Jahr) einsammeln und über etablierte Server (PubMed Central) zur Verfügung stellen können.
Open Access hat nichts mit Bibliotheken zu tun, wie auch Peter Suber immer wieder betont. Dass Bibliotheken durch Open Access Geld einsparen könnten, ist weder beabsichtigt noch wahrscheinlich. Open Access wird nicht dadurch zum Rohrkrepierer oder Durchstarter, dass sich Bibliotheken erfolgreich oder erfolglos daran beteiligen, wie Ball zu beweisen versucht.
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