Jedesmal, wenn ich über die Elbebrücke zum Kongreßzentrum gehe, bewundere ich seine großartige Architektur. Obwohl (weil?) es einen fast schon holzschnittartigen Stahl/Glas-Körper hat, paßt es sich wunderbar in das Panorama der Altstadt ein. Durch die schiefe Ebene der Hauptgeschosses duckt es sich unter die benachbarten Gebäude weg. Doch zum Programm. Nach einer technophilen KOPAL-Sitzung (beta-Version unter kopal.langzeitarchivierung.de), aus der ich vor lauter trockener Fachausdrücke wie koLibRI, OAIS-konform, DIAS, SIP, DIP und UOF (Universelles Objektformat) nur flüchten konnte, landete ich in einer von mir zuvor übersehenen, aber hochinteressanten Sitzung: Bibliotheksarbeit in den USA. Dort wurde von Elisabeth Remak-Honnef (University of California, UC) über die sehr engagierten Anstrengungen der UC-Bibliothek auf dem Gebiet des Open Access berichtet, die unter dem bekannten Namen „Office of Scholarly Communication“ (OSC) zusammengefasst werden. OSC hat es geschafft, den Focus von dem nervenden Bibliotheksgejammere über hohe Zeitschriftenpreise auf die Herausforderung („Krise“ darf man ja in den USA nicht sagen) des gesamten wissenschaftlichen Kommunikationswesens zu lenken und so die Faculty mit ins Boot zu holen. Die UC besitzt mit ihrer schieren Größe (acht Standorte von Los Angeles bis San Diego mit 200.000 Studenten), ihren auf vielen Editorial Board aktiven Wissenschaftlern und ihrer Kaufkraft keinen geringen Einfluß in diesem Geschäft. Mit einer Vielzahl von Aktivitäten (Broschüren, Messen, Konferenzen, Kommittees, Toolkits) werden die Akteure auf die Probleme hingewiesen. Besonders gefiel mir eine alphabetische Zeitschriftenliste mit Angaben zu Copyright, Impact Faktoren, Kosten und Kosten pro Nutzung. Der UC-Senat hat ein Proposal herausgegeben, dass die UC-Wissenschaftler bei Publikationen den Verlagen nur ein „non-exclusiv“ copyright zugestehen sollen, damit alle Veröffentlichungen auch im Open UC-Repository „eScholarly“ archiviert werden können.
Im zweiten Vortrag resümierte Sem Sutter von der University of Chicago Library über die Bibliothek als Platz: „Is there a future for libraries as places?“. Während früher Bibliotheken Bücher beherbergen sollten, nicht Leser, drehte sich dieses Verhältnis Mitte des 19. Jh., um heute fast im Gegenteil angekommen zu sein. Neue Schulungsformen und Curricula bringen die Studenten wieder in Scharen in die Bibliothek, wo sie aber nicht ruhig lesen, sondern laut miteinander reden wollen. Er zeigte dazu einige ansprechende Bilder von Studenten, die die Bibliothek quasi „in Besitz“ genommen hatten – inklusive Füße auf dem Tisch. (Bei unserer aktuellen Umfrage wird dies bestätigt: die Bibliothek wird als Fortsetzung der persönlichen Studierstube wahrgenommen, mit Internet, Café, Gesellschaft, behaglicher Rundumatmosphäre inkl. schöner Aussicht, Büchern und Pflanzen). Dies sind auch genau die Faktoren, die mit einer – gegen den Trend – erhöhten Besucherzahl einhergehen. Was negativ korreliert, waren erstaunlicherweise WLAN, Lokalisation auf dem Campus, Gruppenarbeitsräume. Weitere Details finden Sie in der C&RLN-Publikation „Does Building matter?“. Sutter betonte im folgenden den „Joy of Open Stacks“ – Wissenschaftler lieben es, in Regalen zu stöbern. Deshalb wird nun eine 36 Mio. Bibliotheksneubau errichtet, statt ein 11 Mio. Auslagerungsbau auf der grünen Wiese (wie dies die NYPL, Columbia und Princeton vorgemacht hatten). Die Möglichkeiten einer „High Density Storage Facility“ mit Roboterzugriff auf Bücher in Hochregalen (haben Sie schon mal das fensterlose Zentrallager von Iglu gesehen? Genauso sieht das aus) waren trotzdem faszinierend.
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