Im morgendlichen Halbschlaf in die Straßenbahn Richtung Universität-Ost. Wenn man nicht wüßte, dass Bibliothekartag wäre, spätestens nach der Station Hauptbahnhof wird dies wohl jedem klar, wenn nebenan munter über Schlagwortketten im Bayrischen Verbund und die Leseunlust der Pisa-Generation diskutiert wird. Im Herdenzug der Kongressbesucher fühlte man sich zwar wie beim Almauftrieb, wurde aber automatisch zum richtigen Gebäude geleitet.
Thema der Podiumsdiskussion der AGMB (gebloggt am 8.3.) war: „Bibliotheken – Schmarotzer in Universitäten und Kommunen?”. Der Titel selbst löste schon im Vorfeld die beißende Kritik eines hessischen Bibliotheksdirektors in einer bayrischen Bibliothekszeitung aus, der bei soviel scheinbarer Selbstverstümmelung an Chirurgen denken musste, die ihre Kunst mit den Worten anpriesen: „Transplantationen: Ausfluss einer tollwütigen Medizin?“ (Mit wenig Mühe hätte er herausfinden können, dass der Titel nicht von der AGMB sondern von einem bundesweit bekannten Wissenschaftlers stammte: „Ansichten eines Profs: Uni-Schmarotzer – Der Schwund übernimmt die Bibliotheken„).
Ob tollwütig oder nicht – das Podium war mit Dr. Wolfgang Löw (Moderation, IFN Magdeburg), Dr. Hubert Rehm (alias „Siegfried Bär“, Obereinheizer beim LaborJournal, in dem die Reihe „Ansichten eines Profs“ erschien) und Dr. Claudia Lux (DBV-Vorsitzende und IFLA Governing Board-Member) exzellent besetzt. Dr. Rehm nahm nur ungern die „böse“ Contra-Position des „Die Bibliothek ist so unnötig wie ein Kropf“ ein, machte seine Sache aber sehr gut: Er nannte zunächst drei Gründe, die aus seiner Sicht des Forschers und Nutzers einer naturwissenschaftlichen Institutsbibliothek für Bibliotheken sprechen:
- Bibliotheken sind schön ruhig, ein idealer Arbeitsplatz
- Studenten sind angewiesen auf die Ausleihe von Lehrbüchern
- Bibliotheken sind sehr gut zum Stöbern der neuesten Literatur
und nahm diese dann gründlich auseinander. Frau Lux gab in gewohnt frischer und deutlicher Weise contra (also Pro) und so ergab sich eine rege Diskussion, die nach kurzer Zeit (wie ich finde: leider) in der allgemeinen Harmoniebekundung endete: „Wenn Bibliothekarinnen einen Univerlag gründen und Forscher dort – zwangsweise – publizierten würden, hätte man über kurz oder lang paradiesische Verhältnisse“ – hier fehlt mir wohl der dazu notwendige Glaube an das Verschwinden von Egoismus- und Evaluierungsprinzipien. Nach Ausweitung der Diskussion auf die kommunalen Bibliotheken zeigte sich Frau Lux in ihrem Element und thematisierte Sichtbarkeit, Impact und Marketing.