Angesichts von zunehmender Personalknappheit, neuen Aufgaben und der Fixierung der Nutzer auf die elektronischen Versionen stellt sich die Frage, wieviel Arbeit und Geld man noch vernünftigerweise in gedruckte Zeitschriften investieren soll, die gleichzeitig elektronisch vorhanden sind.* Gedruckte Zeitschriftenhefte müssen ausgepackt, eingecheckt, reklamiert, gesichert, aufgestellt, abgeräumt und gebunden werden. Daraufhin wieder gesichert und wieder aufgestellt blockieren sie jahrzehntelang wertvollen Raum. Ist das noch vernünftig vertretbar? Wirtschaftlich scheint es nicht zu sein. Wieso tun wir es dann noch?
Könnte es nicht sein, dass wir Bibliothekare hier einen blinden Fleck haben? Unsere Print-Verliebheit und -Gewohnheit bringt die Gefahr mit sich, dass wir die Sicherheit mit dem Medium verwechseln. Dies läßt uns keine unvoreingenommen, sachlichen Entscheidungen treffen. Es ist natürlich auch ein Tabu, (scheinbar wertvolle) Bücher oder Zeitschriften so einfach „wegzuwerfen“. Der einzig bedeutsame Vorteil der parallelen Printversionen ist für mich die Archiv- und Backup-Funktion bei Ausfall der e-Journals bzw. bei Lizenzende. Der Wegfall der Archivrechte nach Lizenzende scheint aber aus der Mode zu kommen, immer mehr Verlage gewähren diese (wenn auch gegen Aufpreis). Und die Fernleihe kann in aller Regel auch mit ausgedruckten PDFs bedient werden.
Jetzt höre ich schon den Aufschrei: Ja, aber die PC-unkundigen/unwilligen Leser?! – Hier muß ich mal deutlich werden: Wer möchte für das gleiche zweimal bezahlen? Kombiabos wichtiger Titel kosten nicht selten das Doppelte. Wir zwingen keinen, auf das Medium seiner Wahl zu verzichten, aber dann bitteschön soll er’s sich selber kaufen – der Etat der Bibliothek ist seit Jahren rückläufig und kann leider kaum noch auf Minoritätenwünsche Rücksicht nehmen. Außerdem: Wer sich auf Printzeitschriften beschränkt – ist beschränkt: ihm entgehen diejenigen 80% der Fachinformation, die nur noch e-only abonniert ist.
Man hört gerüchteweise von (wahrscheinlich angloamerikanischen) Bibliotheken, die Zeitschriftenhefte nicht mehr auspacken, sondern direkt entsorgen (wenn diese online abonniert sind und nur noch aufgrund eines dafür notwendigen Kombiabos in die Bibliothek kommen). Diese Geschichten werden immer mit einem Raunen hinter vorgehaltener Hand erzählt, als ob es sich um Kannibalismus oder Bücherverbrennung handeln würde, dabei liegt der Gedanke doch so nahe – oder etwa nicht?
* Ich spreche hier nur von Medizinbibliotheken, in den Humanities sieht es natürlich anders aus, aber wir sind hier Vorreiter.