Frau Dr. Ulrike Kortschak, Leiterin der gastgebenden Bibliothek der Medizinischen Fakultät Graz, berichtete über Reorganisation des Zeitschriftenbestandes am Beispiel der Bibliothek der Medizinischen Universität Graz. Die Powerpoint-Folien über die Dokumentation des Projektes liefen automatisch im Hintergrund durch, so dass man sich gleichzeitig sowohl über das von ihr vorgetragene Konzept als auch die Daten informieren konnte. Aufgrund der Vorgaben der Buchhaltung durften keine Rechnungen mehr vorab gestellt worden, d.h. sämtliche Zeitschriftenrechnungen konnten erst im Abojahr angewiesen werden. Die Agenturen liessen sich auch tatsächlich – manche erst nach einigem hin und her – darauf ein. (Das Argument der Agenturen ist ja immer, sie müssten die Rechnungen der Verlage auch vorab bezahlen. Wenn dem so ist, dürfte die Grazer Lösung allerdings eine Einzellösung bleiben, da die Agenturen sicher nicht die Zeitschriften aller Bibliotheken für drei Monaten vorfinanzieren wollen/können.) Die Kliniken mussten Ansprechpartner benennen, die in einer Task Force über die Zeitschriftenreorganisation mitentscheiden und diese Entscheidung in ihrer Einrichtung verteidigen mussten. Dies hat der Bibliothek sehr geholfen und diese Leute stellen auch jetzt noch wichtige Kontaktpersonen zu den Forschern und Klinikern dar.
Nach der Kaffeepause sprach Jure Dimec, Institute of Biomedical Informatics, Ljubljana, über Building co-operative bibliographical databases in European ethics. The Slovenian contribution.
Die Leiterin der Central Medical Library Zagreb und Mitorganisatorin der bekannten LIDA-Tagung, Frau Jelka Petrak, über Teaching how to read and write science a library-jouyrnal partnership with the Croatin Medical Journal (CMJ). Sie ist Mitglied im Editorial Board des CMJ – ein ausgezeichnetes Beispiel für die (aus meiner Sicht mehr als notwendige) Ausweitung des bibliothekarischen Aufgabenspektrums und die Integration mit genuin wissenschaftlichen Projekten. Noch beeindruckender war der überaus hohe Anspruch, den die Bibliothek sich mit dem Angebot von Scientific Writing Skills Kursen gesetzt hatte. Diese Schulungen kannte ich bisher nur von nordamerikanischen Bibliotheken.
Direkt im Anschluß sprach Jadranka Stojanovski vom Ruder Boskovic Institute Zagreb über Scientific information on demand (ZIND) – the croatian experience. ZIND entstand aus dem Bedürfnis kroatischer Bibliotheken nach einem einheitlichen Web-Portal sowohl für frei zugängliche Web-Ressourcen als auch für lizenzpflichtige. Das zweite Projekt mit Namen EJOL (Electronic journal online library) ist so eine Art EZB für Kroatien, enthält aber auch die gedruckten Bestände der beteiligten 35 kroatischen Bibliotheken, was umso wichiger ist, das es keine kroatische ZDB gibt. In der Zukunft sollen Nutzerprofile wie auch Alertingdienste angeboten werden, sowie die Zahl der Ressourcen vervollständigt werden. Diese Zukunft ist allerdings ungewiss, da trotz des überaus geringen Mittelbedarfs (wenige tausend Euro) sich noch keine Finanzierung aufgetan hat (Sponsoren, hier gibt es ein dankbares und produktives Betätigungsfeld!).
Stefica Dodig von der Medizinischen Fakultät Mostar erzählte in The development of a medical library: Bosnia and Hercegovina Virtual Libraries Network über ein Tempus-Projekt der EU zum Wieder(bzw. Neu)aufbau von Medizinbibliotheken in der Region. Leider wurde ein Teil der Hard- und Software bereits nach einem Jahr gestohlen, so dass die Arbeit zunächst nicht weitergehen konnte. Teilweise war auch das Internet 1,5 Jahre nicht zugänglich – Probleme, die man in Deutschland gottseidank nicht hat! Auch für dieses Projekt ist die Zukunft unsicher, da es keine finanzielle Unterstützung gibt. Die Aufzählung des anspruchsvollen Trainingsprogramms für den „Bibliothekar des 21.Jh.“ wurde mit schönen Landschaftsaufnahmen von Kroatien unterlegt.
Jan Neumann von der ZBMed in Köln präsentierte Open Access – Ansätze für Geschäftsmodelle. Er führte zunächst in die vorhandenen Geschäftsmodelle ein. Es wies auch den Unterschied zwischen angloamerikanischen und deutschen Fachgesellschaften hin. Während erstere sich durch ihre Publikationen finanzieren, erzielen letztere hauptsächlich Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen. Würden die Mitgliedszeitschriften zu Open Access konvertieren, gäbe es keinen Anreiz mehr, Mitglied zu sein. Die Querfinanzierung durch Printprodukte und Kongressveröffentlichungen wäre gerade bei gms gegeben, ebenso wie
bei Werbung. German Medical Science (eGMS) finanziert sich darüber hinaus durch die institutionelle Trägerschaft der Fachgesellschaften, von ZBMed Köln und DIMDI. Eine neugegründete GMS-gGmbH würde den Fachgesellschaften die Kosten in Rechnung stellen, die diese an ihre Autoren, Leser oder Mitglieder weitergeben können. Problematisch sind die so genannten „Free Rider“: Wissenschaftler, die ihre Mitgliedschaften bei den Fachgesellschaften aufkündigen, weil die Zeitschrift nun frei zugänglich ist. Je nach Eigenleistung der jeweiligen FG variieren die Kosten natürlich. Sie liegen aber auf jeden Fall im unteren Bereich des bekannten Spektrums von 500 Pfund (Biomed Central), 1.500 $ (PLoS) bis 3.000 Euro (Blackwell, OUP, Springer).
Die Termine der Vorträge von Frau Troitzsch und Herrn Korwitz waren getauscht worden, so dass Einführung von Mitarbeitergesprächen (MAG) als Maßnahme der Personalentwicklung von Herrn Korwitz bereits Dienstag zu hören war. Besonders wichtiges Ziel ist der Aufbau einer vertrauensbasierten Unternehmungskultur – gegen die Leichen im Keller. Er grenzte zunächst das MAG von den anderen Gesprächsarten im Unternehmen ab. Die gewünschten Zielvereinbarungen (Top->Down) werden in gesonderte Gespräche verlagert, die vorher stattfinden. Zentrales Ziel ist die Unternehmensidentität im Markt. In der Diskussion wurde angemahnt, dass es in vielen Bibliotheken noch nicht einmal aktuelle Geschäftsverteilungsplänen vorliegen würden.
Frau Dr. Diana Klein aus Würzburg gab den Endbericht der AGMB Task Force zur Finanzierung von Krankenhausbibliotheken (KHB). Die „Standards für KHBs“ (und die weiteren Papiere der Task Force) haben kürzlich in Stuttgart und Brandenburg dazu geführt, dass eine bibliothekarische Stelle nicht gekürzt wurde. Am wichtigsten war die Masterarbeit von Katja Bartlakowski: Krankenhäuser sind rechtlich nicht verpflichtet, eine Bibliothek vorzuhalten. Aber KHB werden für 2 wichtige Verpflichtungen empfohlen: 1. Qualitätssicherung (QS) und 2. Forbildung. In diesem Zusammenhang wird auf den akuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis abgehoben. KH sind verpflichtet, ab Januar 2006 QS-Berichte zu veröffentlichen. Laut Sozialgesetzbuch wurde die Fortbildungspflicht der KH-Ärzte verschärft, für die eine Bibliothek wichtig ist (steht auch in der Berufsordnung für Ärzte). Vertragsärzte brauchen so z.B. 250 Fortbildungspunkte innerhalb von 5 Jahren. Die Regelung für KH-Ärzte wird entsprechend folgen. In Kunstfehlerprozessen wird immer nach dem Grundsaz entschieden, dass der Arzt sich bis an die Grenze des Zumutbaren über die Erkenntnisse und Erfahrungen der Wissenschaft unterrichten muss (dies gilt auch für den KH-Träger, der rechtlich für seine Ärzte einsteht). 130 der 250 Punkte kann durch Eigenstudium erzielt werden, davon 80 durch Studium mit nachgewiesener Qualifizierung (Multiple Choice) und 50 durch Literaturstudium. (Die Ressourcen dafür bietet natürlich die KHB an, aber wird das KH nicht sagen, das ist Privataufgabe des Arztes? Er soll sich selber halt privat die Literatur kaufen?) In diesem Zusammenhng war es interessant zu erfahren, dass sich die Akademischen Lehrkrankenhäuser von der in der APPO stehenden Verpflichtung, eine Bibliothek vorzuhalten, loskaufen können, indem sie sich auf die medizinischen Unibibliothek berufen.
Nach den Firmenpräsentationen folgte die Mitgliederversammlung der AGMB und die Wahl eines neuen „all-women“ Vorstandes (D.Boeckh, U.Rosenfeld (Nachfolgerin ab Jan. 2007 C.Giese), D.Klein, K.Voß, C.Wagner). Für den anstrengenden und dicht gefüllten Konferenztag wurde man um 19:30 aufs angenehmste belohnt: Die Swinging Library überraschte mit reichhaltig coolen Jazz und kaltem Buffet in den wunderschönen neuen Bibliotheksräumen.