Habe als Antwort auf Andreas‘ Kommentar mal einen neuen Post aufgemacht, weil es einen wirklich interessanten Punkt berührt:
Wer hier “Mißbrauch” schreibt, braucht Downloads gar nicht erst anzubieten. Die Texte stehen bereit, sie können konsumiert werden. Wenn jemand drei Jahrgänge Zeitschriften durchblättert, kommt auch nicht die Lesesaalaufsicht mit einem Verlagsvertreter und einem Wachtmeister daher und fordert zum Gehen auf.
Der Gesetzgeber versucht – aus seiner Sicht – einen Mittelweg zwischen Wissenschafts- und Wirtschaftsförderung zu beschreiten, um die traditionellen Strukturen der Wissensverbreitung zu erhalten. Was für eine Meinung man auch immer man persönlich dazu haben mag, Fakt ist: Es ist Gesetz und wir müssen uns dran halten: Bibliothekare, und Wissenschaftler, Autoren und Leser. Das alte Urheberrecht hat auch schon das Kopieren ganzer Bücher und Zeitschriften verboten (was u.a. zu der absurden Situation führt, dass man einen Zeitschriftenaufsatz nicht als Kopie über die Fernleihe bestellen darf, wenn er der einzige Artikel im Heft ist). Auf dieses Verbot wurde von Bibliotheken schon immer geachtet und hingewiesen.
Ich möchte mich aber hier nicht auf diese einfache (mancher mag sagen: billige) Verteidigungslinie beschränken.
Manche Fragestellungen lassen sich eben nur mit ganzen Jahrgängen von Zeitschriften angehen. Das gehört zur Freiheit der Wissenschaft einfach dazu.
Andreas, ich stimme dir zu, dass Wissenschaft besser gedeiht, wenn möglichst alle Information zur Verfügung steht. Das Urheberrecht befördert das nicht unbedingt/bedingungslos, wie jeder (auch dank des bibliothekarischen Lobbying!) mittlerweile weiss.
Die Vorteilsmaximierung (möglichst viele Informationen für möglichst viele Menschen) gedeiht allerdings nur im Miteinander. Wir sind nicht die einzigen Akteure im Land. Die Hauptakteure, die Wissenschaftler, publizieren noch mehrheitlich in jener seltsamen symbiotischen Liebe (ok: Hassliebe) zu den großen kommerziellen Verlage und ihren renommierten Zeitschriften. Das ist auch ein Fakt und wie viele meinen, der entscheidende Grund für die unglaubliche Sturrheit und Standhaftigkeit des alten Systems Scholarly-Industrial-Complex.
Gerade wegen des Miteinanders, der Vielfältigkeit der Aktuere, sind Änderungen nicht einfach und können nur pragmatisch erreicht/eingeschätzt werden. Deshalb freut sich Peter Sauber über den Sieg des Open-Access-Mandates des National Institute of Health, obwohl die Artikel unter einem – für OA-Aktivisten wie mich schwer erträglichen – 12 Monats-Embargo stehen.
Dass sich Bibliothekare hier den absurden Vorstellungen der Wissenschaftsverlage nicht nur beugen, sondern sie sich auch noch kritiklos zu eigen machen, empfinde ich als reichlich abwegig.
Kritiklos sind wir nicht, aber blosse Kritik ist billig, schnell und vergänglich. Was wirklich zählt, ist stete Überzeugungsarbeit bei unseren Nutzern, den Wissenschaftlern, den Politikern und eigene Open Access-Angebote – und die intelligente Nutzung des Status Quo für eine maximale Informationsversorgung im Hier und Jetzt. Insofern bin ich als Bibliothekar in einer echten Zwickmühle: Will ich als Dienstleister der Medizinischen Fakultät Münster deren Informationsversorgung maximieren, muß ich Open Access-Titel zu Gunsten von Toll Access-Titeln abbestellen. Letzteres könnte mittel- und langfristig aber zu einer Schwächung der Open-Access-Bewegung bzw. des Urheberrechtslobying (Links folgen) führen, da eines ihrer Argumente ist, dass die Subskriptionsbasis eben nicht wegbricht.
So segeln wir also wie Odysseus zwischen den beiden Ungeheuren Skylla und Charybdis und fallen mal dieser, mal jener zum Opfer. Lassen sie mich mit einer fast zu naheliegenden Analogie schliessen: 🙂 Wie das kommerzielle Publikationswesen began Skylla auch einmal als wunderschönes Wesen, bevor sie zu einem Monster verkam…
5 comments for “Open Access und Status Quo: Wo stehen die Bibliothekare?”